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Können wir Corona?

Die vergangenen Wochen und Monate haben auch mein Leben stark verändert. Ich gehöre nicht zu den Gewinnern und auch nicht zu den Verlierern der Corona-Krise, ich bezeichne mich als Überlebenden. Jedenfalls bis jetzt. Abertausende von Menschen in diesem Land haben und hatten weniger Glück. Aber dazu später mehr.

 

An diesem Morgen bin ich noch immer beflügelt vom Sieg von Joe Biden und Kamala Harris. Und vorallem davon, dass die Twitter-Diplomatie mit täglichen Hassbotschaften und Beleidigungen nun hoffentlich bald ein Ende hat. Ich hoffe darauf, dass die USA unter Präsident Biden der WHO und dem Klimaabkommen wieder beitritt. Oft war zu lesen, dass Trump seit langem der erste Präsident war, der keinen Krieg begonnen hat. Das stimmt, aber er hat auch keinen beendet. Hier erwarte ich von der neuen Regierung mehr Einfluss mit einer "gspürigen" Diplomatie anstatt dem Gepoltere.

 

Dass nach 100 Jahren Frauenwahlrecht am 20. Jänner eine Madam Vice President vereidigt wird, eine Person of Colour, das beflügelt mich und setzt Hoffnungen, dass die Jahre von Diskriminierung und Rassismus doch noch zu Ende gehen.

 

Zudem setze ich in der nationalen Politik grosse Hoffnungen auf das neue junge dynamische Co-Präsidium der SP Schweiz: Mattea Meyer und Cédric Wermuth. Gerade in der jetzigen unsicheren Lage braucht es eine starke Linke mit einer starken SP. Denn es stehen grosse soziale Herausforderungen vor uns.

 

Und nun zum Thema. Können wir Corona? Damit verändere ich den Titel eines Artikels von Daniel Binswanger in der Republik: "Nein, wir können Corona nicht". Verbände und Politiker*innen warnen vor den verheerenden Folgen der Corona-Krise. Während die Medien von den Massenentlassungen bei Grosskonzernen berichten, sind bereits Zehntausende von Stellen in KMU verschwunden. Gastrosuisse warnt vor 100'000 Arbeitslosen in der Gastronomie. Aktuell betrage der Umsatz mehr als 50 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Caritas Zürich meint im Magazin "Nachbarn": "Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen kennen nichts anderes, als die tägliche Unsicherheit. Bezüglich finanzieller Situation, aber auch bezüglich Planung der eigenen Zukunft. Diese Menschen sind von der Corona-Krise besonders hart betroffen. Doch treffen die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie auch Bevölkerungsgruppen, die scheinbar sicher unterwegs waren."

 

Die Corona-Krise hat Menschen mit kleinem Einkommen ungeich mehr betroffen. Während UBS-Angestellte als Geschenk ein Wochengehalt erhalten, kämpfen Gastro-Mitarbeiter*innen mit der Kurzarbeitsentschädigung von 80 Prozent ums überleben. Zudem fehlt das Trinkgeld. So manche dieser Berufstätigen sieht sich mit existentiellen Problemen konfrontiert. Dies betrifft auch andere Niedriglohnberufe.

 

Das Pflege- und Gesundheitspersonal war seit Anbeginn der Krise stark betroffen. Herausfordernde und schwierige Zeiten mit viel Überstunden und Belastungen. Der Applaus im Frühjahr war nett, aber jetzt müssen sich die Arbeitsbedingungen ändern. Auch das Verkaufspersonal hat schwierige Monate mit herausfordernden Arbeitsbedingungen hinter sich.

 

Wurden und werden in der Corona-Krise die Armen ärmer und die Reichen reicher? Mag vielfach stimmen, kann man aber nicht so generalisieren. Aber es benötigt sicher eine Diskussion, ob die ungleiche Verteilug des Vermögens gerechtfertigt ist und ob dieses nicht viel mehr besteuert werden sollte.

 

Die Massnahmen des Bundesrates haben das Gesundheitswesen, die Gesellschaft und die Wirtschaft am Leben erhalten. Das Parlament hat am 25. September 2020 das Covid-19-Gesetz verabschiedet. Es schafft die rechtliche Grundlage, damit der Bundesrat die notverordnungsrechtlich beschlossenen Massnahmen aufrechterhalten kann, die für die Bewältigung der Covid-19-Epidemie weiterhin erforderlich sind. Es umfasst Massnahmen in folgenden Bereichen:

  • politischen Rechte
  • Gesundheitsversorgung
  • Arbeitnehmerschutz
  • Ausländer- und Asylbereich
  • Grenzschliessung
  • Justizielle und verfahrensrechtliche Massnahmen
  • Versammlungen von Gesellschaften
  • Insolvenzrechtliche Angelegenheiten
  • Versorgungssicherheit
  • Kulturbereich
  • Härtefall-Massnahmen für Unternehmen
  • Sportbereich
  • Medienbereich
  • Entschädigung des Erwerbsausfalls
  • Berufliche Vorsorge
  • Arbeitslosenversicherung
  • Strafbestimmungen
  • etc.

Dies und weitere Massnahmenpakete welche durch Bund und Kantone verabschiedet werden und wurden, helfen die Folgen der Krise abzufedern. Aber es wird noch mehr Unterstützung benötigen.

 

Kleiner Seitenhieb an die Corona-Rebellen: Das Covid-19-Gesetz verwandelt die Schweiz nicht in eine Diktatur; im Gegenteil! Und es geht nicht um die Impfpflicht, diese wurde vom Volk 2013 bei der Annahme des Epidemiegesetzes an der Urne direktdemokratisch eingeführt.

 

Wenn ich schrieb ich gehöre nicht zu den Verlierern und nicht zu den Gewinnern, sondern zu den Überlebenden, dann meine ich, dass ich finanziell durch die Krise nicht gelitten habe, aber durch Veränderungen in meinem Berufsleben. Ich arbeite bei einer Beratungstelle zu der Thematik Arbeit und Arbeitslosigkeit. Die Beratungen finden nicht mehr persönlich, sondern telefonisch und online statt. Das ist nicht immer einfach. Und die Situation meiner Klientinnen und Klienten ist  zur  Zeit nicht einfach.

 

Man kann Bundesrat, Parlament, Behörden und kantonale Regierungen kritisieren; aber auch für sie ist und war es eine Ausnahmesituation. Grundsätzlich finde ich, die Abwägung zwischen gesundheitlichem Schutz der Bevölkerung und wirtschaftlichen Interessen wurde gut gemeistert. Natürlich lief nicht alles optimal, aber das ist in dieser schwierigen Zeit verständlich.

 

Das Gewerbe und der Mittelstand, die Armutsbetroffenen, Menschen mit kleinen Einkommen, Familien und Senior*innen, sie alle benötigen unsere Unterstützung. Mein Dank gilt unter anderem den Hilfswerken welche in diesen Monaten unglaubliches Engagement zeigten und ohne die es nicht gegangen wäre.

 

Ich hoffe, dass in der Bevölkerung und in der Politik klar geworden ist, dass es nicht weniger Staat in der sozialen Absicherung braucht, sondern mehr. Es darf nicht sein, dass nun in der kommenden Zeit an Sozialversicherungen wegen Kostendruck eingespart wird. Gerade in der jetzigen und kommenden Zeit hängen davon Abertausende von Existenzen ab.

 

Können wir Corona? Ja, wir können, wenn wir denn wollen.

 

Bliibet gsund!