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No-Billag - viel Emotionen und "Wutbürger-Stammtisch-Polemik"

Emotionen oder doch schon "Wutbürger-Stammtisch-Polemik"?

Während man sich am Stammtisch nach ein paar Bieren und einer hitzigen Diskussion wieder auf die Schultern klopft, wird auf Facebook und in anderen sozialen Medien immer mehr unter der Gürtellinie polemisiert und das virtuelle Schulterklopfen fehlt. Besonders heftig war es in der Diskussion um No-Billag. Aber auch in Deutschland wird beim Thema Bundeskanzlerin Merkel immer mehr polemisiert; sachliche Argumente fehlen oft und es wird mit Kraftausdrücken nur so um sich geworfen. Eine unglaubliche Verrohung im politischen Dialog. Und das zum Teil auch von Menschen denen ich etwas mehr Würde und Anstand zugetraut hätte. Da entstehen heftige Grabenkämpfe und wird denunziert und blockiert, dass die Balken sich biegen. Der Wille zu einem gepflegten politischen Dialog oder einem Streitgespräch im anständigen Ton sinkt mehr und mehr. Auch die Toleranz gegenüber Facebook-Beiträgen, welche einem nicht interessieren wird geringer. Da wird schnell mal entfreundet. In der Zeitung überlese ich halt Beiträge welche mich nicht interessieren und so handhabe ich es auch bei Beiträgen auf fb. Und erspare mir damit viele unnötige Diskussionen. Und im realen Leben geht man ja auch toleranter mit Bekannten und Freunden um. Das meine Ansicht... aber nun zurück zum letzten Sonntag. 

Mit der Abstimmung über die No-Billag-Initiative ging ein emotionaler Abstimmungskampf zu Ende. Hätten das Volk und die Stände Ja gesagt, hätten ab nächstem Jahr keine Radio- und Fernsehgebühren mehr erhoben werden dürfen. Die Verfassung hätte es dem Bund verboten in Zukunft Radio- und Fernsehstationen zu zubventionieren. De facto wäre das Ende des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Radios und somit der SRG eingeläutet worden. Viel hätte und wäre. Die ersten Umfragen waren für mich beängstigend, es war eine Freude zu beobachten wie die Kulturschaffenden sich danach für den Erhalt einsetzten. Das SVP-Gepoltere wirkte nicht und je mehr Klarheit das Volk über die Aufgabe der SRG hatte, je klarer wurde die Ablehnung und schlussendlich ein bravouröses NEIN mit 71.6%. Eine Deutlichkeit welche ich dann doch nicht erwartet habe. 

 

 

"Den Schweizerinnen und Schweizern wurde bewusst, dass die Medienvielfalt auf dem Spiel steht" kommentierte das Komitee "Nein zum Sendeschluss". Ein viersprachiges Land brauche öffentliche Unterstützung für einen medialen Service publique". Dass es ohne Gebühren nicht gehe, hätten fünf Wochen vor der Abstimmung selbst die Initianten gemerkt. 

 

Selber äusserte ich mich ebenfalls mit unzähligen Facebook-Beiträgen auf meinem persönlichen Profil und Kommentierungen auf der Seite von "Nein zum Sendeschluss", diskutierte mit auf politnetz.ch und natürlich erklärte ich meine Argumente auch gerne im persönlichen Dialog. 

 

Dass das Thema die Emotionen derart schürte, das überraschte mich kaum. Aber ich vermisste bei vielen Kommentaren zu Beiträgen von beiden politischen Lagern einen Hauch von Sachlichkeit. Es uferte schnell mal in Stammtisch- und Wutbürgerpolemik aus. Fakten wurden gerne mit den Füssen getreten und oft wurde tief unter die Gürtellinie gezielt. 

 

Sowohl Moderator Jonas Projer (Arena) wie auch Mitinitiant Olivier Kessler wurden massivst bedroht. Nicht nur sie selber, sondern auch deren Familie ("Diesen Olivier Kessler sollte man mitsamt seiner ganzen Familie verbrennen"). 

 

Die Zeitschrift 20 Minuten hat zwei Repräsentanten beider Lager kontaktiert und sie gefragt, warum sie im Netz die Contenance verlieren (im Detail nachzulesen unter http://www.20min.ch/schweiz/news/story/Ein-Anruf-bei-zwei-Billag-Wutbuergern-10837265). "Schade, dass wir so viele Arschlöcher in der Schweiz haben, die noch Nein stimmen. Aber bekanntlich werden diese Wixer im ganzen Leben nicht gescheiter." Der Ton sei halt Rau, und die 451 Franken für die Billag-Gebühr (ab 2019 365 Franken) könne er und seine Frau sich nicht leisten. Keine Einsicht, dass die Tonalität unpassend war. Ein Wutbürger, der Nein sagt an einen Weltwoche-Verlagsmitarbeiter: "Sie waren und sind ein billiges Nichts. Sie schreiben was Köppel will, sonst sind sie raus!" "Mann, was sind sie für ein widerliches Arschloch, Journalist gekauft.". Als Argument brachte dieser Herr vor, dass der Ton, den wir heute in der Politik haben, Blocher und seine Kumpanen zu verantworten hätten und dass er halt scharf zurückschreibe. 

 

Also keine Einsicht bei den beiden Wutbürgern. Hoffen wir darauf, dass der politische Dialog wieder mit etwas mehr Würde und Anstand geführt wird. Auch Streitgespräche können mit Anstand geführt werden und Differenzen kann man im Dialog bereinigen. Und unterschiedliche Meinungen haben, das ist nicht verkehrt. Das gehört zu der von mir sehr geschätzten Vielfalt! Und bei aller Polemik hat der Abstimmungskampf auch eine interessante, spannende und wichtige Diskussion über die Medienlandschaft in Gang gebracht. Amen:=) 

 

Ausser hier auf dem Blog veröffentliche ich den Beitrag auch auf meinem persönlichen Facebookprofil und auf www.politnetz.ch.