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Die jüdische Meile in Zürich

Anlässlich unseres diesjährigen Betriebsausfluges besuchten wir "The Jewish Mile".

Von Wiedikon über die Enge bis Wollishofen, mit dem Besuch von Gemeindehäusern, Synagogen, Restaurants, der Koscher-Metzgerei, einem jüdischen Supermarkt und einer jüdischen Privatschule. In Zürich hat es eine ganze Infrastruktur zur Gestaltung des jüdischen (Alltags-) Lebens. Uns wurde ein äusserst spannender Einblick in das jüdische Leben in der Stadt Zürich geboten.

Die Führung leitete ein jüdischer Historiker und eine Rabbinerin der Jüdisch Liberalen Gemeinde. "Eine fremde Welt im eigenen Quartier" titelte der Tagesanzeiger vor geraumer Zeit. Ich erlaube mir als kurze Zusammenfassung den Beitrag von Katrin Oller vom 08.06.2016 im Tagesanzeiger in meinen Beitrag zu integrieren:

Im 13. Jahrhundert lebten jüdische Familien in Zürich primär in der Froschaugasse, am Neu- und Rindermarkt. Sie durften weder Handwerker, noch Bauern oder Kaufleute sein, sondern wurden in den Beruf des Geldleihers gedrängt, da Christen kein Geld gegen Zins leihen durften. Ein Grossteil der Zürcher Juden wurden 1349 ermordet, weil ihnen die Schuld an der Pestepidemie gegeben wurde. 1436 wurden sie ausgewiesen. Bis ins 19. Jahrhundert durften die Juden in der Schweiz nur an zwei Orten im Aargau leben. In Zürich wurde die Niederlassungsbeschränkung 1862 aufgehoben. Schweizweit erhielten sie 1866, vor 150 Jahren, volle Bürgerrechte. Heute leben 18 000 Juden in der Schweiz, 6000 in Zürich. 1862 wurde die Israelitische Cultusgemeinde (ICZ) in Zürich gegründet. Ihre Synagoge steht an der Löwenstrasse. Zwei Gemeinden haben sich aus der heterogenen ICZ herausentwickelt. Die heute ultra-orthodoxe Israelitische Religionsgemeinschaft (IRG) spaltete sich 1895 ab. Ihre Synagoge ist an der Freigutstrasse. 1978 wurde die Jüdisch Liberale Gemeinde (JLG) gegründet. Sie gehört zum progressiven Judentum und hat ihre Synagoge an der Hallwylstrasse. Die ultra-orthodoxe Gemeinde Agudas Achim (Vereinigung der Brüder) ist ein Zusammenschluss von aus Osteuropa zugezogenen Juden. Ihre Synagoge steht bei der Weststrasse. JLG und ICZ sind öffentlich-rechtlich anerkannt und den christlichen Landeskirchen gleich gestellt, die andren beiden nicht.  

In der Koscher-Metzgerei Kol Tuv werden keine Tiere geschlachtet. In der Schweiz wurde aus Gründen des Tierschutzes das Schächten verboten. Zuerst in der Verfassung, seit einigen Jahren im Tierschutzgesetz geregelt. Der jüdische Historiker meinte, vielleicht auch aus antisemitischen Gründen. Die Schächtung sei keine grausame Schlachtung von Tieren. Die Tierschutzorganisationen sehen das etwas anders. In der Koscher-Metzgerei Kol Tuv werden aus Frankreich importierte Tiere für den Verkauf zubereitet. 

In den jüdischen Restaurants wird entweder mit Milch gekocht oder mit Fleisch, beides gleichzeitig ist gegen den Glauben. Im jüdischen Supermarkt Koscher-City sind Alltagsprodukte erhältlich. Habe da die koscheren Gummibärchen und die Schokolade gekauft und genossen. Natürlich gibt es auch jüdische Kleidergeschäfte und jüdische Coiffeursalons. Eindrücklich war der Besuch der jüdischen Privatschule. Wie bei den Synagogen und des Gemeindezentrums der ICZ musste man durch Schleusen, Sicherheitspersonal kontrollierte und bewachte. Eine Sicherheitsvorkehrung welche seit den 70er-Jahren als notwendig erachtet wird und zum Beispiel die Schule jedes Jahr hunderttausende von Franken kostet. Der Schulunterricht muss sich an das kantonale Schulgesetz halten. Zusätzlich zu den regulären Fächern besuchen die Schüler_innen pro Woche zehn Stunden jüdischen Unterricht. Erlernen der hebräischen Sprache und Schrift, das Lesen der Thora, Gebete und Gesang. Der Besuch der Schule ist jüdischen Kindern vorbehalten. Das Essen in der Mensa schmeckte halt so wie Essen in einer Mensa schmeckt:=) 

Wie die evangelisch-reformierten und katholischen Kirchgemeinden haben auch die jüdischen Gemeinden ein eigenes Sozialressort. Ein Blick auf die Tätigkeit der ICZ: http://www.icz.org/

Das jüdische Leben in der Stadt Zürich hat also eine lange Tradition und so unscheinbar und leicht zu übersehen das Dasein dieser Kultur ist, so friedlich geht das Zusammenleben mit andersgläubigen Bürger_innen der Stadt. Auch wenn die Sicherheitsvorkehrungen anderes vermuten lassen, antisemitische Übergriffe sind selten. Antisemitische Tendenzen sind natürlich immer wieder spürbar und die jetzigen Naziaufmärsche in Ostdeutschland sind bedrohlich. Hoffen wir, dass die Tendenzen nicht auf unser weltoffenes Zürich überschwappen. 

 

Da nicht religiös erzogen, war der Einblick in das Leben der jüdischen Meile ein Einblick in eine mir so völlig fremde Welt. Aber so fremd ist mir jeweils auch der Einblick in das Leben von Katholiken. "Leben und leben lassen...." dachte ich mir. 

 

(Die beiden Bilder zeigen die Synagoge der ICZ)