Kaum ist der Abstimmungskampf über die Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) vorbei und der "Kuhhandel" vom Volk unerwartet hoch angenommen, beginnt die Diskussion über das Rentenalter.
Verschiedene Themen stehen zur Diskussion:
Soll das Rentenalter für Frauen dem der Männer angeglichen werden? Rentenalter 65?
Bei der Einführung der AHV galt das Rentenalter 65 für beide Geschlechter. In den 50ern und 60ern wurde es "grosszügigerweise" durch die männlichen Parlamentarier schrittweise auf 62 Jahre gesenkt. In den 90ern dann, diesmal, nach Einführung des Frauenstimmrechts auch mit der Zustimmung der weiblichen Stimmbevölkerung, wurde das Rentenalter der Frauen schrittweise auf 64 Jahre erhöht. Die Zustimmung in der Abstimmung war wohl daher so hoch, weil eine Erziehungsgutschrift eingeführt wurde, und dank dem Splitting verfügen Frauen heute über eine AHV-Rente, bei der sie nicht mehr von ihrem Mann abhängig sind. Durchschnittlich erhalten Frauen drei Prozent weniger AHV-Rente, was auf den ersten Blick erstaunlich gleich erscheinen mag. Das liegt aber insbesondere an dem Berechnungssystem der ersten Säule. Wird aber die gesamte Rente aus den drei Säulen verglichen, dann liegen die Renten der Frauen um rund 37% tiefer als die der Männer. Dies und der Umstand, dass immer noch eine massive Lohnungleichheit besteht (erstaunlicherweise sogar beim Berufseinstieg) spricht nicht für eine Angleichung des Rentenalters. Die Forderung, dass erst die Gleichstellung umgesetzt wird, und dann das Rentenalter auf 65 angeglichen wird, scheint mir daher eine berechtigte Forderung (liebe Damen, den Frauenstreik vom 14. Juni nicht vergessen!)
Rentenalter 66 oder 67 Jahre für alle?
Die Jungfreisinnigen arbeiten an einer Volksinitiative, mit der das Rentenalter für Frauen und Männer auf mindestens 66 Jahre erhöht werden soll. Dies um die Finanzierung der AHV zu garantieren. Unterstützung dürften sie von ähnlichen Forderungen des Arbeitgeberverbandes und den bürgerlichen Jungparteien erhalten. Die Junge GLP fordert gar Rentenalter 67. Allerdings möchten Sie Reichen keine AHV-Rente mehr ausbezahlen, die Vermögensobergrenze lassen sie noch offen.
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Lebenserwartung wie auch die Anzahl gesunder Lebensjahre erhöht. In den nächsten Jahrzenten ist zusätzlich eine markante demografische Alterung der Bevölkerung zu erwarten. Das Verhältnis zwischen Erwerbsbevölkerung und Rentenbevölkerung wird sich zugunsten letzterer verschieben, wodurch auch das Altersvorsorgesystem zunehmend beansprucht wird.
Diese Entwicklung mag zwar für eine Erhöhung des Rentenalters sprechen und scheint schon fast eine logische Schlussfolgerung der Bevölkerungsentwicklung zu sein. Damit diese Rechnung aber aufgeht, müssten denn die Schweizer*innen tatsächlich auch bis 66 oder 67 arbeiten. Und das scheint doch recht illusorisch. Bund, Kantone und Sozialpartner verwenden den Begriff "ältere Arbeitnehmende" ab dem Alter 50. Das Zürcher Amt für Wirtschaft und Arbeit sieht einen erhöhten Betreuungsbedarf bereits ab dem Alter 45.
Zwar ist die Arbeitslosenquote der über 50 Jährigen vergleichbar mit der anderer Altersgruppen, aber die Langzeitarbeitslosigkeit und die Aussteuerung ist massiv höher. Und die Statistiken zeigen, dass diese Entwicklung massiv zunimmt.
Schlussfolgerung
Eine Erhöhung des Rentenalters, deckt rein theoretisch und rechnerisch vielleicht die finanziellen Engpässe in der AHV. In der Praxis wird diese Rechnerei nicht aufgehen. Um die demografische Entwicklung zu bewältigen, braucht es eine generelle Diskussion über unser Rentensystem. Die Diskussion über das Rentenalter fokussiert sich auf einen falschen Lösungsansatz und führt zu unnötigen Verzögerungen.
Einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Diskussion in der Rentenfrage werden die Wahlen am 20. Oktober haben.