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Burkaverbot? Gedanken zur Volksinitiative

Als Alice Schwarzer im Herbst 2016 im Kaufleuten in Zürich vor ca. 500 Personen referierte kam es zu einem Tumult. Eine Gruppe von 15 Frauen störte mit Zwischen- und Buhrufen. Alice Schwarzer sprach über das Leichentuch der Frau und forderte, dass man aufhören soll, dabei von Religionsfreiheit zu sprechen. "Die Frauen werden in ihren Herkunftsländern totgeschlagen, wenn ihnen dieses Leichentuch verrutscht" argumentierte sie. Es gab in Frauenkreisen heftige Diskussionen zu der Thematik. Offensichtlich stimmen nicht alle Alice Schwarzer zu. "Die Burka sieht Schwarzer als Symbol für die Entwürdigung der Frau. Und dem Mann weist sie die Rolle eines Tiers zu, der sich nicht zu beherrschen weiss, wenn er ein Stücklein unverhüllte Haut sieht", wird sie auf dem Newsportal Watson zitiert. Sie zitierte ebenfalls eine Studie, derzufolge jede zweite Muslimin in Deutschland, die selbst angibt, tief religiös zu sein, kein Kopftuch trägt. Sie erweitert die Diskussion um die Burka, um die um das Kopftuch. 

 

Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam pflichtet Schwarzer bei. Sie kämpft aktiv für ein Burkaverbot. Gelder für Kampagnen von radikalisierten Moscheen kämen aus Saudi-Arabien, den Golfstaaten und der Türkei. Hier gehe es nicht um Religion, hier gehe es um Macht. 

 

Sowohl die Kirchen, Frauenorganisationen wie auch die Politik tun sich schwer mit der Thematik. Die Stimmbevölkerung im Tessin und St. Gallen hat dem Burkaverbot als Verhüllungsverbot zugestimmt und dort ist dieses in Kraft. Im Kanton Glarus wurde ein Burkaverbot klar abgelehnt. Mehrere europäische Länder haben das Burkaverbot bereits umgesetzt. Im Nationalrat stimmte eine breite Allianz von Mitte-Links und Bürgerlichen gegen das Burkaverbot und für einen Gegenvorschlag. Im Rat stimmten geschlossen die Vertreterinnen und Vertreter der SVP und die Mehrheit der Grünen für das Verbot. Insgesamt lehnte sowohl der Stände- wie auch der Nationalrat die Vorlage ab. 

 

CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer nervt die Debatte, denn sie löse kein einziges reales Problem. Im Gegenteil, sie lenke davon nur ab und sei deshalb reine Zeitverschwendung. 

 

Verfechter*innen, wie auch Gegner*innen des Verhüllungsverbotes argumentieren mit den Menschenrechten. Dies auch bei der Diskussion um das Kopftuch. Gegner*innen des Verbots betonen das Selbstbestimmungsrecht von muslimischen Frauen. Befürworter*innen betonen, dass die Toleranz gegenüber der Ganzkörperverschleierung die Unterdrückung der betroffenen Frauen fördere. 

 

Um was geht es bei der Volksinitiative? Das "Egerkinger Komitee" (Vertreterinnen und Vertreter der rechtskonservativen SVP) fordern das Verbot der Gesichtsverhüllung aus religiösen Gründen an öffentlich zugänglichen Orten (ausser in Sakralstätten) und ein landesweites Vermummungsverbot an Demonstrationen. 

 

Ich kann die Argumente beider Seiten gut nachvollziehen. Letztendlich, denke ich aber, dass das Burkaverbot in der Schweiz kein Schritt gegen die Unterdrückung der Frauen in radikalislamischen Ländern ist. In der Schweiz tragen Frauen wie Nora Illi aus Überzeugung und politischem Statement eine Burka, sowie einige Touristinnen. Die Zahl der Burkaträgerinnen mit Schweizer Wohnsitz dürfte gering sein. Und ich bezweifle, dass es dem nationalkonservativen "Egerkinger Komitee" um die Rechte der Frauen geht. Vielmehr werte ich es als Angriff gegen eine angebliche Islamisierung unserer Gesellschaft und als fremdenfeindliches Zeichen gegenüber der muslimischen Wohnbevölkerung. 

 

Ich werde daher ganz klar gegen das Verhüllungs- und Burkaverbot stimmen. Aber ich lehne die Unterdrückung der Frauen in Ländern wie etwa Saudiarabien ab. 

 

Auch gegen ein Kopftuchverbot spreche ich mich ganz klar aus. Sicherlich wird es auch Frauen geben, die sich dem gesellschaftlichen Druck ihres Umfeldes fügen und das Tuch nicht freiwillig tragen. Ich kann daher auch diese Argumente nachvollziehen. Eine meiner Klientinnen äusserte sich kürzlich wie folgt: "Wir sind geflohen, weil wir uns gegen die Unterdrückung in der Türkei zur Wehr setzten und dadurch verfolgt wurden. Für mich ist der Anblick eines Kopftuches in der Schweiz ein Zeichen, dass diese Unterdrückung auch hier angekommen ist!". Ich kann die Worte der Klientin verstehen. Aber ich erlebe in der Beratung gerade viele junge muslimische Frauen, die sich ganz bewusst und ohne Druck ihrer Ehemänner, für das Kopftuch entscheiden. Sie wollen sich ganz bewusst und öffentlich zu ihrer Religion bekennen und ein politisches Statement abgeben. In der Beratung weise ich jeweils darauf hin, dass das Tragen eines Kopfuches bei der Stellensuche Probleme verursachen kann. Dies nicht wertend, ob es falsch oder richtig ist, sondern ganz einfach neutral und sachlich auf Erfahrungen basierend. Eine Klientin arbeitete viele Jahre im Verkauf eines grossen Detailhändlers. Sie entschied sich dann von einem Tag zum anderen, ein Kopftuch zu tragen. Sie wurde von der Arbeitgeberin aufgefordert, eine schlechter bezahlte Stelle im Lager anzunehmen oder bei einem Verbleib in der Stelle als Verkäuferin, auf das Kopftuch zu verzichten. Sie entschied sich für das Kopftuch. Arbeitsrechtlich gibt es immer wieder Diskussionen zu dieser Thematik und auch Gerichtsentscheide. 

 

Persönlich denke ich, dass jede*r gewisse Konsequenzen für den Entscheid tragen muss. Ein Punk entscheidet sich aus Überzeugung, dass er eine äussere Erscheinung wählt, welche eine Stelle am Bankschalter wohl verunmöglicht. So sehe ich auch den Entscheid von Frauen, ein Kopftuch zu tragen.

 

Ich bin gespannt auf die Debatte um die Volksinitiative und hoffe, diese wird geprägt sein um Diskussionen zu den Rechten von muslimischen Frauen und nicht der von rechter Seite geschürten Angst vor Fremdem.